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Freiwillig aufgegeben

Klima-Kletterer in Jena beenden Protest

Die Klima-Aktivisten brauchten für den Abstieg knapp zwei Stunden.
Die Klima-Aktivisten brauchten für den Abstieg knapp zwei Stunden.
Foto: JENPICTURES/Baumgarten
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Klima-Kletterer in Jena beenden Protest und sind wieder am Boden. Mehrere Anzeigen erwartet sie jetzt.

Jena. Die Klima-Aktivisten auf den Schornsteinen des Heizkraftwerkes Jena-Winzerla haben am frühen Mittwochabend ihren Protest (wir berichteten Klima-Aktivisten besetzen Kraftwerk-Schornsteine in Jena) freiwillig beendet.


"Gegen 18.15 Uhr haben sie ihren Abstieg signalisiert. Ganze zwei Stunden brauchten die fünf Personen, um wieder auf festem Boden zu stehen", so Jenas Polizeisprecher Daniel Müller.

Unten nahm die Einsatzunterstützung der Landespolizei Jena die drei Frauen und zwei Männer in Empfang, um ihre Identität festzustellen.


Da aber nur eine Person ein Ausweisdokument bei sich führte, wurden die Protestler mit auf das Polizeirevier genommen.

Dort gestalteten sich die erkennungsdienstlichen Maßnahmen jedoch als schwierig. Fingerabdrücke konnten nicht genommen werden, da sie eine klebrige Masse auf ihren Händen verteilt hatten. 

Gegen 23 Uhr konnten sie, mit mehreren Anzeigen im Gepäck, den Heimweg antreten.


Jetzt ermittelt die Polizei wegen Hausfriedensbruch und prüft den Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz (wegen Zündung von Nebeltöpfen) und eine mögliche Sachbeschädigung.

Auch der Anlagenbetreiber TEAG erwägt eine Schadenersatzforderung.

Text: Jana Baumgarten

Update am 31.03.2023

Richtigstellung der Ordnungsbehörde der Stadt Jena zum Klimaprotest auf dem Heizkraftwerk Jena-Winzerla.

Durch die Berichterstattung zum Protest einiger Klima-Aktivisten auf den Heiztürmen des Jenaer Kraftwerkes entstand der öffentliche Eindruck, die Versammlungsbehörde der Stadtverwaltung Jena habe das Handeln der Aktivisten "genehmigt" oder "geduldet" und die Protestform damit legitimiert.

Diese Darstellung entspricht nicht den Tatsachen. Der folgende Artikel thematisiert die Komplexität des Versammlungsrechts, gerade im Hinblick auf eine sog. Grundrechtskollision und schafft somit Transparenz für das Verwaltungshandeln vor Ort.

Bereits mit Besteigen der Türme, spätestens aber mit Ausrollen des ersten Protest-Banners der fünf Klima-Aktivisten mit der Aufschrift "Gas is over!" gegen 07:40 Uhr lag bereits eine Protestform vor, die im Rahmen der Grundrechte der Meinungsfreiheit nach Artikel 5 GG sowie der Versammlungsfreiheit nach Artikel 8 GG die Definition und die Anforderungen an eine Kundgebung im versammlungsrechtlichen Sinn erfüllte.

Diese Kundgebung war bei der Versammlungsbehörde, entgegen einer im Versammlungsgesetz verankerten Anzeigepflicht, nicht angezeigt. Sie war mithin auch nicht dem Kraftwerksbetreiber vorab bekannt gegeben worden. Eine Verhinderung der Aktion war somit bereits zum Zeitpunkt des Besteigens nicht möglich, da hierüber schlichtweg keine Kenntnis bestand.

Aus der Nichtanzeige einer Kundgebung resultiert im Umkehrschluss jedoch noch keine Rechtsgrundlage für ein Verbot oder eine unmittelbare Auflösung derselben. Dafür müssen weitere Umstände, z.B. eine beginnende Unfriedlichkeit durch Gewalttaten hinzutreten, die vor Ort nicht vorlagen.

Zweifelsohne behinderte die Protestform die Betriebsabläufe auf dem Firmengelände und es lag auch eine Grundrechtskollision mit Rechtsgütern Dritter vor. Das Kraftwerk befand sich aus betrieblichen Gründen jedoch ohnehin nicht in Betrieb, sodass keine Einschränkungen in der Wärmeversorgung der Jenaer Bürger bestand.

In Abstimmung aller Verantwortungsträger vor Ort, zu denen neben Polizei und Versammlungsbehörde auch der Hausrechtsinhaber gehörte, und nach Konsultation der Staatsanwaltschaft Gera hinsichtlich der vorliegenden Straftatbestände wurde die Kundgebung gegen 09:30 Uhr zeitlich bis 10:00 Uhr beschränkt.

Diese Beschränkung stellte die zu diesem Zeitpunkt einzige versammlungsrechtlich zulässige Maßnahme dar. Da die Aktivisten ihren Protest zu diesem Zeitpunkt nicht beendeten, wurde die Kundgebung schließlich gegen 10:00 Uhraufgelöst.

Ab diesem Zeitpunkt bestand somit keine reguläre Versammlung mehr. Dennoch haben die Personen die Plattform nicht freiwillig verlassen und den Protest fortgeführt.

Ein anschließender Abwägungsprozess führte zu dem Ergebnis, dass ein zwangsweises Beenden der Aktion ein nicht kalkulierbares und damit nicht hinnehmbares Risiko für einzusetzende Polizeibeamte, aber auch für die Aktivisten selbst darstellen würde und daher nicht möglich ist.

Die Entscheidung, die Aktivisten auf den Plattformen der Heiztürme zu belassen, wurde vor Ort durch Polizei und Hausrechtsinhaber getroffen. Dieser Zustand hielt schließlich so lange an, bis alle Aktivisten am Abend die Schornsteine freiwillig verlassen haben und im Anschluss erkennungsdienstlich behandelt wurden.

Quelle: Stadt Jena