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Bürgerversammlung in Winzerla

OB Schröter wirbt in Jena-Winzerla um Verständnis für Flüchtlinge

Keinen leichten Stand hatte OB Albrecht Schröter auf der Bürgerversammlung zur geplanten Gemeinschaftsunterkunft in Winzerla. Wenn auch die große Mehrheit der Besucher den Bau der GU unterstützte.
Keinen leichten Stand hatte OB Albrecht Schröter auf der Bürgerversammlung zur geplanten Gemeinschaftsunterkunft in Winzerla. Wenn auch die große Mehrheit der Besucher den Bau der GU unterstützte.
Foto: Andreas Wentzel
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Die Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in Winzerla soll im Frühjahr 2016 bezogen werden. Bürger und Politiker traten mit- und gegeneinander auf.

Jena. Wirklich Neues konnten die über 120 Besucher der Bürgersammlung am 5. Mai in der vollbesetzten Aula der Gemeinschaftsschule „Galileo“ in Jena-Winzerla nicht erfahren. Die von der Stadt bereits vor Monaten avisierte Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge (GU) soll auf dem ehemaligen Areal des Jugendclubs „Hugo“ in der Hugo-Schrade-Straße gebaut werden.

Das Haus in Modulbauweise könnte im Frühjahr 2016 bezugsfertig sein, erklärte Dr. Götz Blankenburg, Werkleiter von Kommunale Immobilien Jena (KIJ). Ob das Gebäude zwischen zwei Garagenreihen, die, wie der KIJ-Chef erneut versicherte „nicht abgerissen“ werden sollen, ein- oder zweigeschossig errichtet wird, werde derzeit diskutiert. Keine Wegführung hin zur Straßenbahn werde verändert, auch der unmittelbar angrenzende Stadtteilgarten bleibe unberührt. Das Haus ist für ca. 45 Bewohner geplant. Jeweils zwei Zimmern für je zwei Personen sind Küche und Bad zugeordnet.

Wo einst der Jugendclub „Hugo" stand, entsteht bis Frühjahr 2016 eine neue Flüchtlingsunterkunft. Das Areal wird derzeit noch von einem Bauunternehmen als Lagerfläche genutzt.Das alles, wenn auch nicht allen Anwesenden, war längst bekannt, und um die bekannten Fakten vorzulegen und zu erläutern, waren OB Albrecht  Schröter (SPD) und Experten der Stadt der Einladung von Ortsteilbürgermeister und Stadtratsmitglied Friedrich-Wilhelm Gebhardt (SPD) auch nicht ausschließlich gefolgt. Die Stadtführung befürchtete vielmehr, nachdem das Thema GU in Neulobeda bislang störungsfrei verläuft, in Winzerla könnte die Stimmung kippen. Gebhardt hatte im Vorfeld Gerüchte erwähnt, wonach im Stadtteil eine Unterschriftenliste gegen die geplante GU kursieren soll. Offensiv aufklären, um vorhandene Skepsis und blanke Ablehnung verringern, wenn schon nicht aus der Welt schaffen zu können. 

Die Brisanz ist gegeben und Geraer oder Mühlhäuser Verhältnisse oder gar brennende Flüchtlingsunterkünfte möchten die Stadtoberen und Sympathisanten verhindern. Schröter und Genossen ist natürlich klar, dass auch in Jena Fremdenhass, Sorgen und die Kritik an der Flüchtlingspolitik Zuhause sind. Denn wenn auch auf die geringe Zahl von 900 Flüchtlingen und Asylbewerbern (rund 500 leben aktuell in Jena, einige davon in Winzerla), die in diesem Jahr die Stadt aufnehmen muss, verwiesen wurde, die bislang zustimmende öffentliche Stimmung könnte umschlagen.

Ein Ende der Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien und dem Irak (die zählen im Vorderen Orient nach Millionen), Asylbewerbern aus einigen Balkanstaaten und Flüchtlingen aus Afrika ist nicht abzusehen. Damit bleiben die in der „Galileo“-Aula gestellten brennenden Fragen nach Finanzen, Unterkünften, Akzeptanz in der Bevölkerung und Rückkehr derer, die können oder müssen, existent.

Diese Gefahr einer Eruption der Antistimmung bestand zur Mitte des am Ende zweistündigen Treffens. Da wurde in den letzten Reihen mehr als nur laut gemurrt beim Thema Ausländer und deren Auswirkungen auf Vandalismus und Kriminalität. Schröter und Gebhardt hatten Mühe, die Situation unter Kontrolle zu halten. Beistand leisteten im weiteren Verlauf vor allem Frauen, die an Mitmenschlichkeit appellierten und dass Nutzen der Chance für neue Erfahrungen im Zusammenleben mit Ausländern aufzeigen wollten. 

Schröter hatte zuvor um Verständnis für die Flüchtlinge geworben. „Wir können diese Menschen nicht wegschicken“, erklärte er. Dezidiert äußerte sich der SPD-Politiker zum immer wieder in der Bevölkerung vorgetragenen Vorwurf, es handele sich meistens um „Wirtschaftsflüchtlinge“. Schröter: „Wenn Menschen aus bitterster Armut kommend selbst im Wohlstand leben wollen, finde ich das nicht schlimm.“

Wer sich engagieren möchte bei der Vorbereitung auf die Flüchtlinge, kann sich am 7. Mai im Bonhoeffer-Gemeindezentrum in der A.-Siemsen-Str. 1 einfinden. Auch in Winzerla wollen Bürger einen Unterstützerkreis gründen.

Text: Andreas Wentzel