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Online oder vor Ort – die ewige Shopping-Frage

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Online oder vor Ort – die ewige Shopping-Frage: Die Entwicklung des Online-Handels in den letzten Jahren.
Jena. Es gibt kaum einen Wirtschaftszweig, der eine so steile Entwicklung in den letzten Jahren hingelegt hat wie der Online-Handel.
Persönliche Zwänge und verschiedene Entwicklungen im gesundheitlichen Bereich haben diese Entwicklung natürlich geboostert – doch auch nach dem Abflauen der Problemlagen in den meisten öffentlichen Bereichen hat sich am Bild nichts geändert.
Der Online-Handel ist seit Jahren stark im Kommen und wird in den nächsten Jahren den Einzelhandel eindeutig dominieren.
Dabei gibt es eine ganze Reihe spannender Studien, die Erkenntnisse zeigen, die dem stationären Einzelhandel durchaus Mut machen können und sollten. Denn genau dieser wird gefragt sein, wenn der stationäre Einzelhandel auf Dauer eine Chance gegen die Online-Riesen der E-Commerce-Welt haben will.
Innovative Ideen und die Bereitschaft, auch mal neue Wege zu beschreiten, werden hier sicherlich notwendig sein, um das schon seit Jahren schleichende Innenstadtsterben in vielen Groß- und Kleinstädten aufzuhalten oder gar umzukehren.
Dazu wird es auch notwendig sein, sich breiter aufzustellen. Doch auch der Verbraucher sollte sich die Frage gefallen lassen, wo er die Entwicklung hinleiten möchte. Schließlich ist er es mit seiner Kaufentscheidung, der den Online-Handel stärkt oder sein Geld eben dem Einzelhändler vor Ort gibt.
Vorteile des Online-Handels im direkten Vergleich mit dem stationären Einzelhandel
Dass der Online-Handel im Vergleich zum stationären Einzelhandel eine Reihe von Vorzügen hat, ist kein Geheimnis und schnell zu erkennen.
Es ist für den Verbraucher natürlich einfacher, vom heimischen Sofa aus zu shoppen, als für den Einkauf von Kleidung, Büchern, Spielwaren oder Technik immer erst in die Stadt oder in das nächste Einkaufszentrum fahren zu müssen.
Gerade bei größeren Artikeln müssen diese dann nicht noch selbst im Auto nach Hause transportiert werden, sondern werden bequem bis mindestens zum Bordstein vor der Haustür geliefert.
Auch die Preisgestaltung im Online-Handel ist seit Jahren auf einen starken Preiskampf gegen den stationären Einzelhandel eingestellt. Kein Wunder, bringt das Fehlen eines oftmals teuer gemieteten oder gepachteten Ladenlokals sowie die laufenden Kosten für Mitarbeiter, Energieversorgung des Ladenlokals und andere laufende Kosten Online-Händler doch ein erhebliches Ersparnis mit.
Dieses wird gerade bei den global Playern durch die notwendigen Lagerhallen und Lagermitarbeiter ausgeglichen – da für diese Lagerarbeiter aber nicht der deutlich höhere Lohnabschluss aus dem Tarifvertrag für den Einzelhandel, sondern die vereinbarten Löhne aus dem Bereich der Lagerarbeiter gelten, spart der Online-Händler auch hier eine Menge Geld im Vergleich zum Einzelhändler vor Ort.
Ein weiterer Vorteil des Online-Handels ist der schier unbegrenzte Platz und damit die Möglichkeit, riesige Mengen an verschiedenen Waren anzubieten. Wer sich auf den großen Online-Marktplätzen umsieht, wird dabei schnell feststellen, dass hier nicht nur der eigentliche Marktplatzbetreiber verkauft.
Auch zahlreiche andere Unternehmen nutzen die jeweiligen Plattformen und bieten hier ihre Waren an. Dass wiederum führt zu einer unendlichen Auswahl an unterschiedlichen Produkten, ohne dass diese alle wirklich bei dem Betreiber der Online-Marktplattform vorrätig sein müssten.
Im Vergleich zum stationären Einzelhandel, der sein Sortiment stets an die vorhandenen Platzkapazitäten anpassen muss, ein weiterer echter Pluspunkt.
Vorteile des stationären Einzelhandels
Doch auch der stationäre Einzelhandel kann an einigen Stellen punkten. Da wäre beispielsweise die persönliche Beratung, die inzwischen in vielen Geschäften des stationären Einzelhandels großgeschrieben wird. Eine vergleichbare Beratung kann online weder durch einen Chat noch durch eine Telefonhotline erfolgen.
Hinzu kommt eine Stärke, die deutschland- oder sogar weltweit agierende Online-Händler in der Form gar nicht mitbringen können – der Hang zur regionalen Betrachtung des Marktes. Der stationäre Einzelhandel kann sowohl problemlos regionale Produkte anbieten als auch auf regionale besondere Bedürfnisse eingehen.
Der große Pluspunkt ist die persönliche Begegnung und der Spaß am Einkaufen an sich. Auch wenn das Thema Shoppingerlebnis in den letzten Jahren für viele nicht mehr unbedingt im Mittelpunkt stand – es gibt noch immer eine Menge Menschen, die den Bummel von Ladenlokal zu Ladenlokal als eine ihrer liebsten Freizeitbeschäftigungen betrachten. Das ist auch ein Faktor, den der Online-Handel diesen Kunden nicht bieten kann.
Schon gewusst?
In vielen großen Städten Deutschlands – unter anderem auch in Jena – haben die Politik und die Stadtverwaltung verschiedene Fördermöglichkeiten und Maßnahmenpakete für den Innenstadtbereich geschnürt, um hier das Einkaufen für die Menschen vor Ort wieder interessanter zu gestalten.
Zielsetzung ist es dabei einerseits das Shoppingerlebnis für den Kunden zu verbessern und durch zusätzliche Aktionen von Händlergemeinschaften und den Städten selbst neue Anreize zu schaffen.
Andererseits aber auch die Kostenstruktur für den Einzelhandel vor Ort neu zu gestalten, um so dem Einzelhändler in der Innenstadt mehr Konkurrenzfähigkeit auch in der Preisgestaltung zu ermöglichen.
Ausblick auf die Entwicklung der nächsten Jahre
Es gibt eine Menge spannender Angebote im Online-Bereich. Diese beziehen sich teilweise auf bestimmte Wochentage oder auch Feiertage oder andere Aktionen. Doch ein Blick in die Statistiken der letzten Jahre kann dem stationären Einzelhandel durchaus Mut machen.
Da wäre zum Beispiel der Umstand, dass der Online-Handel im Umsatz momentan Quartal für Quartal kräftig zulegt. Betrachtet man beispielsweise den Umsatz im Zeitraum von Mai – September 2021, so zeigt sich hier nach Angaben des Statischen Bundesamtes eine Umsatzzunahme in Höhe von 8,8 Prozent im Vergleich zum selben Zeitraum im Vorjahr. Was wie eine riesige Ohrfeige für den stationären Einzelhandel klingt, relativiert sich vergleichsweise schnell wieder.
Denn anders als man erwarten würde, geht mit diesem starken Plus kein oder nur ein minimales Minus im Bereich des Einzelhandels einher. Denn aus den Daten des Statischen Bundesamtes für denselben Zeitraum lässt sich eine stabile Situation im stationären Einzelhandel ablesen – hier liegt gerade einmal ein Umsatzwegfall von 0,2 Prozent vor.
Der Blog Netz24 weist in einer Datenanalyse darauf hin, dass in der Zeit von 2016 bis 2020 der Umsatz im Bereich des Online-Handels um sagenhafte 65 Prozent gestiegen ist. Auch das klingt nach einer verheerenden Bilanz für den stationären Einzelhandel.
Die gleiche Analyse zeigt aber auch, dass die Zahl der Online-Shopper – also der Kunden, die im Online-Shopping im gleichen Zeitraum neu dazugewonnen werden konnten – gerade einmal um 17 Prozent gestiegen ist.
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass 83 Prozent der Menschen, die im Ahr 2016 noch nicht online eingekauft haben, das auch im Jahr 2020 noch nicht getan haben. Der Kundenstamm im Einzelhandel vor Ort ist also nach wie vor da und interessiert an starken Angeboten in der eigenen Stadt.
Genau das wird der Punkt sein, der die Entwicklung in den nächsten Jahren maßgeblich beeinflussen wird. Das Ladenlokal in der Innenstadt hat weiterhin einen guten Kundenstamm, muss sich aber auch in anderen Bereichen neu aufstellen. Denn die Digitalisierung kann auch an diesen Unternehmen nicht einfach so vorbeilaufen.
Die Entwicklung einer eigenen Internetpräsenz mit einem separaten Online-Shop wird die Herausforderung der nächsten Jahre sein. Denn hier kann auch der Einzelhändler vor Ort punkten. Mit einem eigenen kleinen Lieferservice können vorrätige Produkte direkt bis zum Kunden transportiert werden – das gilt für Schmuck, Kleidung und Pflegeprodukte ebenso wie für Nahrungsmittel.
Viele große Supermärkte bieten diesen Service bereits an – kleinere Einzelhändler werden folgen müssen. Denn dann unterscheidet sich das Angebot nur noch in der Vielfalt der Auswahl von dem im Online-Shop – ein Umstand, den in Zeiten viele Verfechter eines nachhaltigen Lebensstils nicht einmal mehr als ausschlaggebend betrachten.
Was hat die Frage, ob online oder vor Ort, mit dem Thema Nachhaltigkeit zu tun?
Denn genau das ist die letzte große Stärke des Einzelhandels vor Ort. Je nach Produktart kann der CO2-Fußabdruck eines Produkts aus dem stationären Einzelhandel deutlich kleiner sein als eines vergleichbaren Produktes aus dem Online-Shop.
Wer auf regionale Produkte von hoher Qualität setzt, kann seinen Konkurrenten aus dem Online-Handel in Sachen Nachhaltigkeit auf jeden Fall ein Schnippchen schlagen. Wichtig ist dabei die notwendige Transparenz, damit dieser Umstand dem Kunden auch bekannt wird.
Text: Torsten Lux