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Jena denkt über Asylplätze in Turnhallen und Zelten nach

Jenas OB Albrecht Schröter (stehend links): „Auch in Jena wird bereits über Alternativen wie die Nutzung von Turnhallen und das Aufstellen von Containern und Zelten, um zukünftig Flüchtlinge unterzubringen, nachgedacht.“
Jenas OB Albrecht Schröter (stehend links): „Auch in Jena wird bereits über Alternativen wie die Nutzung von Turnhallen und das Aufstellen von Containern und Zelten, um zukünftig Flüchtlinge unterzubringen, nachgedacht.“
Foto: Michael Baumgarten
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Jena-Nord soll eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge in der Löbstedter Straße bekommen. Ortsteilrat und Stadtführung gaben nun die konkreten Pläne bekannt.  

Jena. Das Thema hat die Einwohner von Jena-Nord nicht interessiert. Dass wahrscheinlich zu Jahresbeginn 2016 auch in ihrem Stadtteil eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge eröffnet werden soll. Zur öffentlichen Sitzung des Ortsteilrates am 3. Juni gab der amtierende Werkleiter von Kommunale Immobilien Jena, Tilo Peißker, bekannt, mit dem Privateigentümer sei ein Vertrag über die Nutzung eines ehemaligen Verwaltungsgebäudes in der Löbdstedter Straße 41 noch nicht unterzeichnet.   

Pro Person sechs Quadratmeter

Rund 40 Plätze für Flüchtlinge und Asylsuchende (nicht jeder Flüchtling ist ein Asylbewerber) sollen in dem zwei- bis dreigeschossigen, direkt südlich an das Schlachthof-Areal angrenzenden Gebäude eingerichtet werden. Jena will auch mit diesem Flüchtlingsheim seiner Strategie, nur kleinere oder mittelgroße Wohnheime mit Flüchtlingen zu belegen, die hier nach erfolgter Erstaufnahme in Eisenberg neu ankommen, treu bleiben. Jede Wohneinheit, ausgelegt nach Thüringer Standard mit sechs Quadratmetern pro Person, erhalte ihre eigene Küche und Bad. Im Haus soll es für alle nutzbar ein Kinderspielzimmer und einen Gemeinschaftsraum geben. Neu gebaut werden könnte noch ein kleinerer Spielplatz vor dem Haus, wie von einer zukünftigen Nachbarin angemahnt.

Kein Interesse in Jena-Nord

Zieht man von den knapp 70 Gästen im Saal des Jugendzentrums „Polaris“ all diejenigen ab, die aus dienstlichen oder ehrenamtlichen Gründen der Einladung von Ortsteilbürgermeister Siegfried Ferge gefolgt waren, bleiben höchstens zehn Einwohner respektive in Weiteres Flüchtlingsheim in Planung: Ein Verwaltungsgebäude neben dem ehemaligen Schlachthof in der Löbstedter Straße soll umgebaut werden. Geplant ist eine Kapazität für 40 Personen.Jena-Nord ansässige Gewerbetreibende übrig. In Jena-Nord leben über 16.000 Einwohner.

Also warum fiel das Interesse am ersten Informationstermin im Stadtteil so gering aus? Lag es daran, dass die GU, im Unterschied zu GU’s in Winzerla und Lobeda-West, zu weit ab vom Schuss liegt? Nur wenige Wohnhäuser stehen in der von Gewerbeflächen dominierten unmittelbaren Umgebung.

Akzeptieren die Jenaer die Tatsache, dass die Stadt allein in diesem Jahr voraussichtlich 900 Flüchtlinge und Asylbewerber aufnehmen wird müssen? Ist die Front derer, die mit offenen Armen, Engagement und sehr viel Steuergeld diese Ausländer bisher aufnahmen und aufnehmen wollen, zu stark? Besteht die Furcht bei den Widersachern der deutschen Flüchtlingspolitik, von den Anderen sofort als Nazis gebrandmarkt zu werden, weil man gegen oder zu viele Flüchtlinge ist? Weil sich herumgesprochen hat, diese Ausländer vergewaltigen und morden nicht unter den Alteingesessenen?

Auf anhaltende Flüchtlingsströme einstellen

Die wichtigste Aussage des Abends traf OB Albrecht Schröter (SPD). Der wollte auf Nachfrage nicht das Thema kleinreden. Denn bislang war in der öffentlichen Debatte von den 900 Flüchtlingen für 2015, deren Unterbringung und Betreuung bereits jetzt Millionen Euro kosten, die Rede. Wie geht es im nächsten und im übernächsten Jahr weiter? Wieder 900 Plätze in Jena organisieren müssen und nochmals und so weiter? „Wir können als Kommune das Problem nicht lösen“, erklärte Schröter. Deshalb müsse die europäische Politik vor allem zu den „Wurzeln der Probleme“ vorstoßen und Veränderungen unterstützen. Die Stadt müsse sich auf anhaltende Flüchtlingsströme einstellen, wenn sich vor Ort nichts ändere.

Alternativen wie Turnhallen, Container und Zelte

Bereits zuvor hatte das Stadtoberhaupt die Brisanz der Problematik deutlich machen wollen. Im Zusammenhang mit der Kritik einer Bürgerin am Standort Löbstedter Straße (ehemaliger Schlachtort von Schweinen sei Moslems nicht zuzumuten, vorgeblich herrschender Gestank) gestand Schröter ein, dass das „keine Ideallösung“ sei.

Noch könnten genügend Wohnungen für Flüchtlinge auf einem „leicht entspannten Jenaer Wohnungsmarkt“ gefunden werden. Doch aus seiner Sicht müsse die Stadt grundsätzlich konstatieren: “Wir können es uns nicht mehr leisten, nach idealen Standorten suchen.“

Auch in Jena, wie in anderen Kommunen praktiziert, würde bereits über Alternativen wie die Nutzung von Turnhallen und das Aufstellen von Containern und Zelten, um zukünftig Flüchtlinge unterzubringen, nachgedacht.

Matschie fordert Einwanderungsgesetz

Der Jenaer SPD-Landtagsabgeordnete Christoph Matschie warf in die Debatte den demografischen Faktor ein. Die Prognose für Thüringen weise mittelfristig einen Bevölkerungsschwund von derzeit 2,3 Millionen auf 1,7 Millionen Einwohner aus. Deutschland, so Matschie, brauche endlich ein Einwanderungsgesetz.

Text: Andreas Wentzel
Fotos: Michael Baumgarten