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Corona in Thüringen

Jenas Bürgermeister fordert harten Lock-Down

Jenas Bürgermeister Gerlitz fordert deutlich drastischere Corona-Maßnahmen als bisher.
Jenas Bürgermeister Gerlitz fordert deutlich drastischere Corona-Maßnahmen als bisher.
Foto: Stadt Jena
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Kommt der Katastrophenfall? In einem Brief an die Landesregierung fordert Jenas Bürgermeister Christian Gerlitz sehr viel weitreichendere Eindämmungsmaßnahmen als bisher.

Jena. Mit einem Brief wendet sich Jenas Bürgermeister Christian Gerlitz an die Thüringer Regierung, in dem er auf die drastische Infektionslage hierzulande (Thüringen steht derzeit nach Sachsen auf Platz 2 der Bundesländer, sortiert nach der 7-Tage-Inzidenz) verweist und die uneinheitlichen und unzureichenden Eindämmungsmaßnahmen gegen diesen Trend kritisiert.

Gerlitz fordert in dem Brief deutlich strengere sowie einheitliche Maßnahmen von der Landesregierung, um der Situation wieder Herr zu werden.

Hier der Brief Gerlitz‘ an die Landesregierung im vollständigen Wortlaut:

Sehr geehrte Damen und Herren,

mit den allergrößten Sorgen blicke ich und der gesamte Krisenstab der Stadt Jena auf die sich akut verschlechternde Infektionslage in Thüringen.

Während es in den meisten Bundesländern seit Beginn des Lockdown-Light zum 2.11. immerhin zu einer gewissen Stabilisierung des Infektionsgeschehens gekommen ist, eskaliert die Situation in weiten Teilen des Freistaates.



In keinem anderen Bundesland sind die Fallzahlen seit November so rasch gestiegen wie in Thüringen. Gleichzeitig ist es aber auch Thüringen, dass bei den Vereinbarungen der Ministerpräsidenten mit der Bundeskanzlerin zu Eindämmungsmaßnahmen wiederholt mit Sonderwegen irritiert hat.

Bis heute hat Thüringen keine landesweit gültigen verpflichtenden Kontaktbeschränkungen im privaten Raum eingeführt, weswegen die Aussicht „keine Lockerungen“ über die Weihnachtsfeiertage anzustreben, völlig unzureichend ist.

In der Diskussion mit anderen Krisenstäben aus Thüringer Städten und Landkreisen hat sich vielmehr gezeigt, dass die vom Land in Gebieten mit höheren Inzidenzen empfohlenen zusätzlichen Eindämmungsmaßnahmen oftmals nicht auf dem Weg der Allgemeinverfügung zur Anwendung kommen.



Auch entsteht hier ein für die Bürger in keiner Weise nachvollziehbarer Flickenteppich, der sich darüber hinaus auch epidemiologisch nicht rechtfertigen lässt, da das Infektionsgeschehen in Thüringen flächendeckend viel zu hoch ist.

Die deutschlandweit höchste Letalität der Coronavirusinfektionen lässt darüber hinaus darauf schlussfolgern, dass in Thüringen entweder Gemeinschaftseinrichtungen wie Pflegeheime nicht ausreichend geschützt werden oder aber die Dunkelziffer der Infektionen hier deutlich höher als im Rest der Bundesrepublik ist.

Darüber hinaus ist auch die Thüringer Weigerung, sich der bundesweiten Verlängerung der Weihnachtsferien anzuschließen, in keinster Weise nachvollziehbar und der Verweis auf die Betreuungsprobleme von Eltern viel zu kurz gegriffen.



Bei einer planvollen Ferienverlängerung ist sehr wohl noch eine Notbetreuungsmöglichkeit durch die Schulen organisierbar – eine Chance, die durch das gerade ausufernde Infektionsgeschehen auch bei pädagogischem Personal an den Schulen zunehmend schwindet.

Allein über dieses Wochenende sind in Jena weitere 5 Schulen sowie 3 Kitas mit Teils mehrfachen Infektionen dazu gekommen. Die über 500 hierbei zu verfolgenden Kontakte von Kindern und pädagogischen Personal sind selbst für das gut aufgestellte Jenaer Gesundheitsamt mit der Unterstützung der Bundeswehr nicht mehr in der notwendigen Geschwindigkeit möglich.

Damit verschlimmert sich wiederum nicht nur das zukünftige Infektionsgeschehen in den Einrichtungen selbst, darüber hinaus entstehen aus diesen unkontrollierbaren Situationen neue Folgeinfektionen außerhalb der Einrichtungen.



Aus diesem Grund fordere ich von der Landesregierung flächendeckende und energische Anstrengungen, um der sich gerade galoppierend verschlechternden Situation Herr zu werden.

Auch die Ausrufung des Katastrophenfalls wie im Freistaat Bayern könnte nach der nicht immer klaren Kommunikation des Freistaats zum Infektionsgeschehen geeignet sein, um auch die Menschen in Thüringen so rasch es geht für die neue Situation zu sensibilisieren.

Es muss deutlich werden, dass es nicht nur mit Regelungen getan ist, sondern jetzt jeder Einzelne seinen Beitrag leisten muss, um seine Liebsten zu schützen. Auch werden die nötigen Einschränkungen nur noch drastischer ausfallen müssen, wenn jetzt nicht rasch und konsequent gehandelt wird.



Es wird keinesfalls ausreichend sein, sich jetzt nach Wochen mit lockeren Regelungen endlich auf den in allen Bundesländern beschriebenen Pfad zu verständigen.

Vielmehr ist eine dramatische Lage mit einem sich anbahnenden Zusammenbruch der Eindämmungsbemühungen durch die regionalen Gesundheitsämter und einer Überlastung der Krankenhäuser bis zum Jahreswechsel nur noch abzuwenden, wenn die Landesregierung umgehend sehr viel weitreichendere Einschränkungen des öffentlichen Lebens auf den Weg bringt und die Thüringer von diesem Weg auch überzeugen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Christian Gerlitz
Bürgermeister

Quelle: Stadt Jena