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Trauern statt mahnen

Tödlicher Radunfall: Jenas OB kritisiert Mahnwache

Jenas OB Thomas Nitzsche ist selbst passionierter Radfahrer.
Jenas OB Thomas Nitzsche ist selbst passionierter Radfahrer.
Foto: Stadt Jena/Kristian Philler
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Stadtoberhaupt mit deutlichen Worten: Via Facebook kritisiert Jenas OB Thomas Nitzsche (FDP) abgehaltene Mahnwache nach tödlichem Fahrradunfall in Jena.

Jena. Nach dem tragischen Tod einer 28 Jahre alten Radfahrerin am vergangenen Donnerstag in Jena-Winzerla, hielten Vertreter der Interessenverbände Verkehrsclub Deutschland (VCD) und Allgemeiner Deutscher Fahrradclub (ADFC) am Montagabend eine Mahnwache am Unfallort ab.

In einem Facebook-Post hat sich Jenas Oberbürgermeister Thomas Nitzsche (FDP) am Mittwochnachmittag mit eindrücklichen Worten an die Teilnehmer gewandt.

Hier sein Eintrag in voller Länge:

"Mit einigem zeitlichem Abstand möchte ich den Interessenverbänden VCD und ADFC herzlich Mäßigung und eine besonnene Wahl der Worte und Gesten im öffentlichen Raum anempfehlen - und dies nicht nur als OB, der sich um die Kultur der öffentlichen Kommunikation in unserer Stadt sorgt, sondern auch persönlich als Radfahrer, der sich von diesen Verbänden gut und würdig vertreten wissen will.

Wir erleben gerade zum wiederholten Male, wie nach einem zutiefst tragischen Verkehrsunfall die Trauer um und das Mitgefühl für die Opfer und Betroffenen des Unfalls dadurch in ein zweifelhaftes Licht geraten, dass der Unfall zeitlich unmittelbar als Vehikel für verkehrspolitische Forderungen herhalten soll.

Um nicht falsch verstanden zu werden: Über die aufgestellten Forderungen kann und soll politisch gesprochen und verhandelt werden. Aber wie schon beim tödlichen Unfall am Lutherplatz vor wenigen Wochen, hätte es meines Erachtens die Pietät geboten, sich in der Öffentlichkeit mit Wertungen erst einmal zurückzuhalten, um für eine angemessene Zeit allein der Trauer um die Opfer Raum zu geben.



Auch meine Gedanken waren und sind zuallererst mitfühlend bei der verunglückten jungen Frau und ihren Angehörigen, sowie ebenso beim Fahrer der Straßenbahn und seiner Familie.

Vor allem aber verbietet sich, solange die abschließende Einschätzung der Polizei zum Unfallhergang nicht vorliegt, jedwede öffentliche Spekulation um die Schuldfrage - sei es, indem zur „Mahnwache“ aufgerufen wird (trauern wäre angemessen, mahnen hingegen suggeriert immer Schuld), sei es, indem ohne vorliegenden Polizeibericht die Schuld öffentlich spekulierend einem der Unfallbeteiligten zugewiesen wird."

Quelle: Facebook/Thomas Nitzsche