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Geschichte aufarbeiten

DDR-Heimkinder: Zeitzeugen für Studie gesucht

Jana Franziska Schmidt will die Geschichte der DDR-Heimkinder aufarbeiten. Dafür sucht sie Zeitzeugen.
Jana Franziska Schmidt will die Geschichte der DDR-Heimkinder aufarbeiten. Dafür sucht sie Zeitzeugen.
Foto: Stadt Jena/Roswitha Putz
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Für das Projekt „Die stillen Schreie ehemaliger Heimkinder der DDR“ werden bundesweit Zeitzeugen gesucht: Heimleiter, Erzieher, Heimkinder oder andere Zeitzeugen werden gebeten, sich zu melden.

Jena. „Die stillen Schreie ehemaliger Heimkinder der DDR“ - schon der Arbeitstitel zeigt, es ist kein einfaches Projekt, dem sich Jana Franziska Schmidt im Rahmen ihres Bundesfreiwilligendienstes in der Stadtverwaltung Jena widmet. Die Geschehnisse in den DDR-Kinderheimen aufzuarbeiten, ist ein Thema, dass ihr unter den Nägeln brennt. Denn die 46-Jährige war selbst eines von diesen rebellischen Kindern, die in ein Heim verbracht wurden.

Heimkinder, Erzieher und Heimleiter gesucht

Mit ihrer Arbeit möchte sie Betroffene und Zeitzeugen zu Wort kommen lassen. Ehemalige Heimkinder, Erzieher, Heimleiter oder andere, die etwas mit den Einrichtungen in der Zeit von 1949 bis 1990 zu tun hatten, werden gebeten, sich zu melden. „Wichtig ist, dass wir auch Menschen suchen, die positive Erfahrungen mit DDR-Kinderheimen gemacht haben. Es geht schließlich darum, ein Gesamtbild und keine einseitige Sicht aufzuzeigen. Jeder hat die Zeit ja anders erlebt“, betont Schmidt.

Dabei ist es egal, woher die Personen stammen oder um welches DDR-Kinderheim es sich handelt. Eine örtliche Beschränkung gibt es nicht, die regionale Durchmischung ist zu groß. So kamen Kinder aus Jena oft in Heime in anderen Bezirken und andersherum. Auch gibt es keine Einschränkung der Einrichtungsart, also ob es sich um Jugendwerkhöfe, Spezialheime, Durchgangsheime, evangelische oder katholische Heime, Jugendheime, Internate und Kombinatsheime handelte.

Gespräche und Interviews mit Zeitzeugen

Mit den Zeitzeugen, die sich melden, möchte Jana Franziska Schmidt erste Kontakte aufnehmen und Gespräche führen. Ziel ist es, Betroffene für Langzeitinterviews zu gewinnen. An welchem Ort, entscheiden die Betroffenen selbst. „Für viele ist es schwierig über ihre Erlebnisse zu sprechen und in einer vertrauten Umgebung, fällt es ihnen leichter“, weiß die Bundesfreiwillige. Wenn gewünscht werden die Interviews natürlich anonymisiert.

Bei ihrem Projekt wird Schmidt unter anderem vom Thüringer Archiv für Zeitgeschichte „Matthias Domaschk“ in Jena unterstützt. Das Archiv hilft bei der wissenschaftlichen Beratung, Archivierung im Anschluss sowie beim Transkribieren der Interviews. Das Projekt wird außerdem von der Wissenschaftlerin und Historikerin Dr. Agnès Arp begleitet. In Zusammenarbeit mit ihr werden professionell fokussierte Interviews geführt, die transkribiert und auch als Audioaufzeichnung oder audiovisuell gestaltet werden.



Einen wissenschaftlichen Hintergrund hat die gelernte Einzelhandelskauffrau nur bedingt. Als Nachteil ist das aber nicht zu sehen. Schließlich fällt es vielen Zeitzeugen leichter, über eigene Erlebnisse zu sprechen, wenn ihr Gegenüber selbst betroffen ist.

Selbst ein Heimkind

Jana Franziska Schmidt kam in das Kinderheim „Liselotte Herrmann“ in Tröbnitz, weil sie in der Jenaer Schule zunehmend nicht zurechtkam. In der dortigen öffentlichen Schule fühlte sie sich wohl und auch ihre Noten wurden deutlich besser. Allerdings wurde sie 1987 im Heim mit 16 Jahren schwanger. Ein Skandal! Denn Mädchen und Jungen wurden strikt getrennt untergebracht und sollten eigentlich keine Zeit alleine miteinander verbringen.

Der Heimleiter wollte sie zur Abtreibung zwingen, eine Erzieherin verhinderte dies. Trotz etlicher Strafen und Gewalt durch andere Jugendliche bekam sie eine Tochter. Diese wurde jedoch gegen ihren Willen zur Adoption freigegeben, berichtet sie. „Zwangsadoption in der DDR ist noch ein anderes sehr wichtiges Thema, dass es ebenfalls aufzuarbeiten gilt“, sagt sie. In ihrem Projekt liegt der Schwerpunkt aber allgemein auf dem Thema DDR-Kinderheime.

Ergebnisse in einer Ausstellung präsentieren

Ziel des Projektes soll es sein, die Öffentlichkeit zu einer anderen Sichtweise ehemaliger DDR-Heime zu bewegen. Letztendlich geht es primär auch um die Anerkennung der Opfer in der heutigen Geschichte.

Das Projekt soll in einer Ausstellung münden, in dem Fotos der Einrichtungen, persönliche Erzählungen von Zeitzeugen sowie Hintergrund-Informationen präsentiert werden. Es soll Berichte von Zeitzeugen und Angehörigen geben, aber auch wissenschaftliche Vorträge. Am Anschluss muss die Aufarbeitung weitergehen, denn ein Jahr ist dafür zu kurz. Wie genau das passieren wird, steht noch nicht fest. Aber ein wichtiger Schritt ist dann getan.

Kontaktdaten

Heimleiter, Erzieher, Heimkinder oder andere Zeitzeugen, die ihre Geschichte erzählen möchten oder andere Informationen zum Thema DDR-Kinderheime liefern können, werden gebeten, sich bei Jana Franziska Schmidt telefonisch (03641/49-2024 oder 0176/ 238 939 75) oder per E-Mail (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.) zu melden.

Quelle: Stadt Jena