Demonstrationsrecht vor Ausgangssperre
Seebrücke Jena: Nächtlicher Protest bleibt erlaubt

Teilen auf
Die Aktivisten der "Seebrücke" dürfen auch nachts weiter am Faulloch in Jenas Innenstadt demonstrieren. Nach Angaben der Stadt überwiegt die Versammlungsfreiheit das Infektionsschutzgesetz.
Jena. Das nächtliche Demonstrieren ist auch trotz Ausgangssperre weiterhin erlaubt. Das Beispiel der Seebrücke, die seit fast zwei Monaten mit einer Dauermahnwache am Faulloch auf die Situation von flüchtenden Menschen an den EU-Außengrenzen aufmerksam macht, hat die Frage aufgeworfen, welche Auswirkungen die Ausgangssperre auf derlei Proteste haben würde.
In Artikel 8 des Grundgesetzes heißt es, „alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“. Für Demonstrationen unter freiem Himmel gilt weiterhin, dass diese bei der Polizei angemeldet werden müssen.
Laut Stadtsprecher Kristian Philler lasse das neue Infektionsschutzgesetz Demonstrationen nach Artikel 8 des Grundgesetzes zu, weshalb die Seebrücke ihre Zelte nicht abbrechen müsse und trotz Ausgangssperre auch nachts weiter am Faulloch demonstrieren dürfe.
Die einzigen Beschränkungen, die es gäbe, seien nunmehr einige Verbote wie ein offenes Lagerfeuer bzw. ein brennender Rost. Es dürfe kein Camping-Charakter entstehen, sondern es müsse klar als Mahnwache zu erkennen sein.
Haken im Versammlungsrecht – Demos nicht per se erlaubt
Gleichwohl ist dies nun kein Freifahrtschein, etwaige nächtliche Aktivitäten ab sofort als Demonstration anzumelden. Im zweiten Absatz von Artikel 8 heißt es nämlich auch, dass Versammlungen unter freiem Himmel durch Gesetze oder aufgrund von Gesetzen beschränkt werden können.
Dazu zählen laut Versammlungsgesetz unter anderem die Möglichkeit, eine Demonstration zu verbieten oder einzuschränken, sofern die Durchführung einer Demonstration unter den aktuellen Umständen die öffentliche Sicherheit gefährden würde.
Und tatsächlich räumt das Infektionsschutzkonzept den Behörden in § 28a, Absatz 2 die Möglichkeit ein, das Versammlungs- und Demonstrationsrecht einzuschränken, sofern dadurch die Eindämmung des Coronavirus auch bei Berücksichtigung aller anderen Schutzmaßnahmen erheblich gefährdet wäre.
Mit anderen Worten: Die Mahnwache der Seebrücke am Faulloch wird von der Stadt Jena nicht als Versammlung gewertet, die die Verbreitung des Coronavirus vorantreibt, weshalb sie trotz Ausgangssperre auch weiter im Sinne des Artikels 8 des Grundgesetzes bestehen darf.
Wie dies für alle anderen Demonstrationen aussehen würde, insbesondere nachts oder wenn Hunderte oder Tausende Demonstranten erwartet werden, ist Auslegungssache der zuständigen Behörde.
Text: Johannes Pfuch