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Kandidatentest

OB-Wahl Jena: Smarter Streit um die Dynamik

Zum Fototermin vor ihrem Auftritt im DGB-Haus strahlten die Kontrahenten der OB-Stichwahl Thomas Nitzsche (l.) und Albrecht Schröter (SDP). Wer am Abend des 29. April auch noch lachen kann, bleibt offen.
Zum Fototermin vor ihrem Auftritt im DGB-Haus strahlten die Kontrahenten der OB-Stichwahl Thomas Nitzsche (l.) und Albrecht Schröter (SDP). Wer am Abend des 29. April auch noch lachen kann, bleibt offen.
Foto: Andreas Wentzel
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Kultivierter Positionsstreit: Der DGB-Kreisverband und Bürger befragten Herausforderer Thomas Nitzsche und Amtsinhaber Albrecht Schröter.

Jena. Rund 70 Bürger wollten am Mittwochnachmittag die beiden Kontrahenten der OB-Stichwahl live erleben. Der DGB Jena-Saale-Holzland hatte ins Gewerkschaftshaus Thomas Nitzsche (FDP) und Albrecht Schröter (SPD) eingeladen.

Der Überraschungssieger des 1. Wahlgangs und der Amtsinhaber sollten befragt werden. Dass dieses öffentliche Aufeinandertreffen der Beiden zu keinem verbalen Schlagabtausch führen würde, war vorhersehbar. Der als Moderator fungierende DGB-Kreischef Christian Patho musste in den anberaumten und eingehaltenen anderthalb Stunden nicht, ob etwa ausgebrochener hitziger Wortgefechte eingreifen und die Kontrahenten an die Regeln des Fair-Play erinnern.

Respekt voreinander

Schröter und Nitzsche bekundeten mit ihrem Verhalten Respekt voreinander. Vier Tage vor dem entscheidenden Urnengang am 29. April hätten aggressiv vorgetragene Verbalattacken auch keinen Sinn ergeben.

Die bekannten Differenzen in Sachen Stadtpolitik wollten beide beim Namen nennen und dabei auf jedwede Schärfe in der Argumentation verzichten. Zumal jedem klar ist, der OB ist Chef der Verwaltung, aber in grundsätzlichen Entscheidungen vom Votum des Stadtrates abhängig.

Offener Schlagabtausch

Stadtrat Nitzsche wiederholte seine Kritik, in Jena habe sich die Dynamik verlangsamt. Zu wenige Flächen für Wohnungsbau und Gewerbeansiedlungen seien ausgewiesen, lautet die aus seiner Sicht wichtigste Begründung für seine Bestandsaufnahme.

Schröter hielt dagegen, die Dynamik der Stadtentwicklung habe sich in den letzten zwölf Jahren verstärkt. Jena weise mehrere Alleinstellungsmerkmale und das bundesweit aus. Gewichtiges Beispiel für ihn sei die nahezu komplette Sanierung der Jenaer Schulen.

Kostenloser Nahverkehr für Kinder

Keine Überraschung, dass Schröter bei seinem Versprechen blieb, schrittweise für Kinder und Jugendliche die kostenlose Nutzung des Jenaer Nahverkehrs einführen zu wollen. Ja zu müssen, wenn die Stadt im Werben um benötigte neue Fachkräfte bestehen wolle.

Widersache Nitzsche lehnt eine solche Regelung ab. Mit Ausnahme der Jenabonus-Kinder, die sollten künftig kostenlos fahren dürfen. Dieses drei bis vier Millionen Euro teure Projekt, so seine Argumentation, seien eine zu hohe finanzielle Belastung für die Stadt.



Auffassung zum Wohnungsbau

Konträr auch die Positionen beim Thema Wohnungsbau. Schröter fordert mehr sozialen Wohnungsbau, Nitzsche dagegen mehr Wohneinheiten auf den bekanntlich begrenzten städtischen Flächen und eine Kooperation mit dem Umfeld. Der FDP-Mann möchte einen „Speckgürtel“ um Jena sehen, der SPD-Mann die Gewerbe- und Einkommensteuern möglichst im „Beritt der Stadt“ halten.

Im Anschluss an die Kandidatenprüfung erklärte Schröter auf Nachfrage, er fühle sich „von Tag zu Tag besser“. Es sei schwer, aber er glaube daran, gewinnen zu können. Nitzsche seinerseits will eine „phänomenale Rückmeldung“ auf sein Ergebnis im ersten Wahlgang festgestellt haben und sieht, bei aller Unschärfe, den Siegtrend auf seiner Seite.

Text: Andreas Wentzel