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Dr. Ute Bergner im Interview

Petitionen auf change.org und Co. bewegen nichts

Die Thüringer Landtagsabgeordnete Dr. Ute Bergner ist Mitglied im Petitionsausschuss.
Die Thüringer Landtagsabgeordnete Dr. Ute Bergner ist Mitglied im Petitionsausschuss.
Foto: Katja Schubach-Friedel
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Dr. Ute Bergner, Mitglied im Thüringer Petitionsausschuss, erzählt im Interview, wie Petitionen im Landtag bearbeitet werden und warum private Anbieter wie change.org oder OpenPetition politisch nichts bewegen.

Jena. Change.org und OpenPetition werben damit, allen Menschen die Möglichkeit zu geben, sich an der Politik beteiligen zu können und mit Petitionen etwas zu bewegen.

Was viele jedoch nicht wissen: In den Parlamenten werden diese Petitionen so gut wie nie beachtet. Die Gründe nennt uns Dr. Ute Bergner vom Thüringer Petitionsausschuss im Interview.

Jenaer Nachrichten:
Frau Dr. Bergner, Sie sind im Landtag mit Petitionen befasst und haben am 19. Januar die Petition von Rudolf Kornhuber, Initiator der Aktion „Leere Stühle Jena“, entgegengenommen.

Sie sagten dabei, dass Sie sich freuen, dass diese Petition nun den Weg in den Landtag findet. Dies scheint offenbar bei der Petition, die Herr Kornhuber bei OpenPetition direkt eingereicht hatte, nicht der Fall zu sein. Können Sie das unseren Lesern erklären?

Dr. Ute Bergner: Über das Petitionswesen werden leider die Menschen im Land völlig unzureichend informiert. So ist kaum bekannt, dass Petitionen, die nicht auf der Petitionsplattform des Thüringer Landtages, sondern bei privaten Petitionsplattformen wie beispielsweise bei OpenPetition oder change.org veröffentlicht werden, nur mediales Echo erzielen, aber im Landtag oder auch im Bundestag gar nicht behandelt werden.

Hierzu fehlen in den Petitionsgesetzen der Länder und des Bundes die Rechtsgrundlagen. Und wenn die Petition dann zuerst bei einer privaten Plattform veröffentlicht wurde, sind viele Mitzeichner der Meinung, dass sie ja bereits gezeichnet hätten und somit die eigentliche Mitzeichnung auf der Plattform des Landtages, die für einen Erfolg notwendig ist, nicht mehr nötig sei.



Um auf der Petitionsplattform des Thüringer Landtages mitzeichnen, ergo unterschreiben zu können, muss man sich zuerst auch registrieren. Dies hält sicher auch einige Menschen davon ab, hier mitzuzeichnen. Diese Registrierung ist allerdings nur einmal nötig, dann kann man jede Petition, die dort veröffentlicht wird mitzeichnen.

Eine weitere Hürde des Thüringer Petitionsgesetzes ist die fehlende Wahlmöglichkeit, ob die Mitzeichnenden öffentlich mit Name und Wohnort oder anonymisiert zeichnen möchten. Dies ist übrigens auch im Bund anders und nur noch in zwei anderen Bundesländern nicht möglich zu wählen.

Ich habe dazu einen Gesetzentwurf im Thüringer Landtag eingebracht, der diese Wahlmöglichkeit schaffen soll. Durch diese ganzen Probleme wird viel Energie der Menschen in falsche Bahnen gelenkt und die Wirkung einer Petition geschwächt.

Öffentliche Anhörung erst bei 1.500 Unterschriften auf der Petitionsplattform des Landes

JN:
Was kann man denn mit einer Petition eigentlich wirklich erreichen? Ist es möglich, damit auch den Bürgerwillen im Landtag durchzusetzen?

Bergner: Petitionen sind ein sehr wichtiges Instrument für die Bürgerinnen und Bürger, Missstände aufzuzeigen und deren Beseitigung zu fordern. Auch kann beispielsweise mit dem Härtefonds auch Menschen in extremer finanzieller Notlage geholfen werden.



Grundsätzlich wird jedes Anliegen vom Petitionsausschuss behandelt, egal ob es sich um ein persönliches oder eins von allgemeinem Interesse handelt. Bei Letzteren wird dann die Veröffentlichung auf der Petitionsplattform des Thüringer Landtages beschlossen und jeder interessierte Bürger bzw. Bürgerin kann dann mitzeichnen.

Und je mehr Menschen mitzeichnen, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Petition zum Erfolg gebracht wird. Wenn das Quorum von 1500 Mitzeichnenden erreicht wird, wird die Petition dann mit einer öffentlichen Anhörung im Ausschuss behandelt. Die jeweiligen mitberatenden Fachausschüsse sind meistens ebenfalls mit dabei, sodass sich die Abgeordneten ein genaues Bild von der Sachlage machen und auf dieser Grundlage entscheiden können.

Die Petenten haben bei diesen Anhörungen die Möglichkeit, anschaulich und unter Mithilfe von eigenen Fachleuten ihrem Anliegen Nachdruck zu verleihen.

Dies ist z.B. im letzten Jahr bei den Bürgerinitiativen gegen Windräder im Wald so gewesen und diese Anhörung hat einen wichtigen Beitrag dazu geliefert, dass das Thüringer Waldgesetz verabschiedet wurde, dass zumindest bis 2023 die Windräder im Wald verbietet. Dies war ein großer Erfolg für den Schutz unserer Wälder! Und das war gelebte Umsetzung des Willens der betroffenen Menschen.



Bearbeitung dauert mitunter Jahre

JN:
Wie schnell kann mit einer Petition der Bürgerwille erreicht werden? Oder anders formuliert: Ist sichergestellt, dass das jeweilige Problem gelöst wird, bevor es nicht mehr lösbar ist?

Bergner: Diese Frage ist nicht allgemeingültig zu beantworten. Ich habe gelernt, dass es sehr unterschiedlich lange dauern kann, bis die Petitionen abgeschlossen werden können und sich die Probleme manchmal dadurch auch leider von selbst erledigt haben, die Hilfe für die Petenten zu spät kommen kann.

Der Petitionsausschuss tagt nur einmal im Monat planmäßig, während der Parlamentsferien gar nicht. Dadurch kann es Monate oder auch Jahre dauern, bis sich eine Lösung ergibt. Hinzu kommt, dass umfangreiche Stellungnahmen der Landesregierung oder von den Verwaltungen nötig sind.

Wenn dann von den Verwaltungen Antworten kommen, die nicht lösungsorientiert sind, müssen die Vertreter der Behörden mit Hausaufgaben weggeschickt und zur nächsten Ausschusssitzung erneut angehört werden. Dies verzögert das Ganze natürlich. Und wenn zu einer richtigen Lösung auch die Änderung von Gesetzen nötig wird, muss der gesamte Landtag damit befasst werden.



Dies dauert dann mitunter Jahre, was aber auch dem demokratischen Prozess geschuldet ist. Diesen zu beschleunigen ist auch ein wichtiges Anliegen von „Bürger für Thüringen“.

Zuständigkeiten bei Petitionseinreichungen beachten

JN:
Kann man sich mit jedem Anliegen mittels einer Petition an den Landtag wenden?

Bergner: Grundsätzlich ja, allerdings sollten sich die Bürger gut überlegen, in welche Zuständigkeit das Anliegen fällt. Kommunale Themen müssen in dem Kommunen geklärt werden und wenn Bundes- oder gar EU-Themen berührt werden, ist es besser, die Petition gleich bei den dortigen Parlamenten einzureichen.

Ein Beispiel: Wer z.B. eine Petition für eine Änderung der Berechnungsgrundlagen der Grundsicherung beim Thüringer Landtag einreicht, ist das eine Sache, die ein Bundesgesetz betrifft. Mit der Einreichung im Landtag verzögert sich der Prozess unnötig, da der Petitionsausschuss diese Petition erst nach erfolgter Beratung an den zuständigen Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages weiterleiten kann. Dort beginnt das Ganze dann von Neuem.



Im Prinzip muss also der Gegenstand der Petition auch vom Thüringer Landtag zuständigkeitshalber behandelt werden können. Es ist übrigens manchmal auch hilfreich, sich mit seinem Anliegen an den Bürgerbeauftragten des Thüringer Landtages, Herrn Dr. Herzberg zu wenden, wenn man sich unsicher ist, was der beste Weg für die Lösung des Problems ist. Er wird gern den richtigen aufzeigen und bei der Klärung des Themas behilflich sein.

Ausschüsse bilden Mehrheitsverhältnisse des Landtags ab

JN:
Was ist, wenn ich als Petent mit einer Entscheidung des Petitionsausschusses unzufrieden bin?

Bergner: Wer mit dem Abschluss einer Petition unzufrieden ist, kann natürlich eine neue einreichen, die dann wieder behandelt wird. Allerdings wird es kaum andere Ergebnisse bringen, wenn die Petition nur wiederholt und kein anderer Sachverhalt dargelegt wird, da in der Sache ja bereits entschieden wurde.

Beachten Sie bitte, dass auch im Petitionsausschuss die Mehrheitsverhältnisse des Landtages abgebildet sind, so dass politische Entscheidungen auch im Sinne dieser gefällt werden. Hier ist es wie im Landtag auch: Wer grundsätzliche Veränderungen der Politik herbeiführen möchte, muss das mit seiner Stimme am Wahltag machen!



JN: Eine letzte Frage: Können Sie den Lesern erklären, wie sie auf der Petitionsplattform des Thüringer Landtages eine Petition einreichen können?

Bergner: Gern. Hierzu müssen die Petenten die Website https://petitionen.thueringer-landtag.de/ anwählen und sich zuerst registrieren. Nach erfolgter Registrierung ist es dann möglich, eine Petition einzureichen oder mitzuzeichnen.

Mit dem Link „Petition einreichen“ öffnet sich dazu ein Fenster, in dem nach einer festen Vorgabe das Nötige einzutragen ist. Ein Antrag auf Veröffentlichung kann dort ebenfalls gestellt werden.

Übrigens ist es auch möglich, Petitionen in Papierform einzureichen. Dabei muss aber mit einer im allgemeinen deutlich längeren Bearbeitungszeit gerechnet werden.

JN: Frau Dr. Bergner, ich danke Ihnen herzlich für dieses Gespräch!

Bergner: Das habe ich sehr gern getan, denn das Petitionswesen ist ein wichtiger Baustein zur Bürgerbeteiligung und sollte bei den Menschen viel besser bekannt sein. Ich hoffe sehr, dazu beigetragen zu haben.

Text: Johannes Pfuch