Skip to main content

25 Jahre Mauerfall

Claus Suppe: DDR-Heimkind und Wende-Aktivist in Jena

Foto: Michael Baumgarten
Teilen auf

Weil er als Heimkind in der DDR mit zahlreichen Repressalien seitens des Regimes zu kämpfen hatte, ging Claus Suppe am 9. Oktober 1989 in Leipzig auf die Straße. Nur einen Monat später fällt die Mauer zwischen Ost- und Westdeutschland. Aber seine Vorstellung von Freiheit war eine andere.

Jena. Bis heute weiß Claus Suppe nicht, warum er damals ins Heim gekommen ist. Ob ihn seine Eltern freiwillig weggegeben haben oder er ihnen weggenommen wurde, ist bis heute unklar. Klar ist, dass er dort von Anfang an einen negativen Stempel verpasst bekam, welcher sich bis heute erhalten hat.

Claus Suppe ist schon lange arbeitslos. Nicht, weil die Chancen mit über 50 auf dem Arbeitsmarkt derzeit schlecht stehen, sondern weil ihm eh und je Steine in den Weg gelegt wurden. Eigentlich wollte er Bäcker werden, legte als Schüler sogar ein Praktikum in der Großbäckerei ab, wo auch sein Onkel arbeitete. Beide wollten zusammen eine Konditorei eröffnen. Doch der Produktionsleiter entschied gemeinsam mit dem Parteisekretär, dass Claus seine Lehre nicht dort absolvieren dürfe. Als er dann endlich eine Lehrstelle in Laasdorf gefunden hatte, war er das einzige Heimkind in der Firma und wurde deswegen gemobbt. Sein Lehrmeister stellt sich immer schützend vor ihn, doch ein richtiger Facharbeiter durfte er auf Weisung von oben nicht werden, vielmehr wurde er als Hilfskraft ausgebildet.

Um ein Leben in Freiheit und mit eigenen Entscheidungen leben zu können, beteiligte sich Claus Suppe im Herbst 1989 an der friedlichen Revolution gegen das DDR-Regime. Zwei Frauen belog er in dieser Zeit regelmäßig, während er an Demos in Weimar, Erfurt, Eisenach, Jena und Leipzig teilnahm. Seiner Chefin, er arbeitete mittlerweile bei der Reichsbahn, erzählte er, er müsse zu Hause auf seinen dreijährigen Sohn aufpassen. Gegenüber seiner Frau behauptete er, er müsse Überstunden schieben. „Ich wollte sie nicht in Gefahr bringen“, sagt er.

Claus Suppe war einer von 100.000, die am 9. Oktober 1989 Kerzen vor der Nikolaikirche aufstellten und so ein Zeichen für ein vereintes Deutschland setzten. Noch heute erzählt er stolz davon, wie diese Menschen es geschafft haben, ein Land umzukrempeln, ohne Blut zu vergießen. In diesem Sinne sieht Suppe sich auch als Gewinner. Enttäuscht sei er von der Stadt Jena, die den Aktivisten von damals nie eine Ehrung hat zukommen lassen.

Doch die Freiheit brachte nicht alle positiven Veränderungen mit sich, die er sich erwünscht hatte. „Heimkinder kommen auch heute noch nicht nach oben. Wenn du Heimkind warst, hast du ein ziemlich sichtbares Tattoo auf der Stirn. Für immer.“, sagt Suppe. „Ich bin überzeugt davon, dass wir auf einer schwarzen Liste stehen, denn selbst auf den Ämtern sind wir nicht gern gesehen.“, erzählt er weiter.

Wenn er nicht so viel Negatives erlebt hätte, würde Claus Suppe auch heute noch öfter auf die Straße gehen. „Doch es kommt keiner mehr mit, viele trauen sich nicht mehr, sich zu wehren.“, beklagt er.

Aufgrund der derzeitigen politischen Entwicklungen in Thüringen nimmt der Kämpfer auch heute, zum 25. Jahrestag des Mauerfalls, an der Demo gegen eine rot-rot-grüne Regierung in Erfurt teil. „Auch wenn Ramelow viele Versprechungen macht, solange er ehemalige SED-Funktionäre in der Regierung mitwirken lassen will, frage ich mich ernsthaft, ob ich demnächst wieder auf eine Fahrkarte nach Leipzig sparen muss!“, sagt er besorgt.

Text: Julia Matthes