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Vom Kinobesuch bis zum Weltfrieden

Die Wünsche der Menschen sind unergründlich

Die gute Fee hätte viel zu tun, erfüllte sie jedem Einzelnen drei Wünsche: Das Schema „Liebe, Geld, Gesundheit“ scheint ausgedient zu haben.
Die gute Fee hätte viel zu tun, erfüllte sie jedem Einzelnen drei Wünsche: Das Schema „Liebe, Geld, Gesundheit“ scheint ausgedient zu haben.
Foto: Adobe Stock/JenkoAtaman /209838291
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Vom Kinobesuch bis zum Weltfrieden: Die Wünsche der Menschen sind unergründlich.

Jena. Im Kinofilm „Was Frauen wollen“ ist es Hauptdarsteller Mel Gibson für kurze Zeit möglich, die Gedanken und Wünsche von Frauen lesen zu können. Damit würde er im heutigen Deutschland wissen, dass das weibliche Geschlecht Freundschaften als besonders wichtig erachtet, sozialen Aufstieg im Gegensatz zu einem runden Drittel der Männer hingegen nicht auf seine Prioritätenliste setzt.

Doch lassen sich Untersuchungen zum Thema Glück und Wünschen wirklich empirisch durchführen? Kann ein subjektives Gefühl analysiert und in Statistiken ausgewertet werden? Und richten sich Wünsche nicht immer auf etwas, das man gerade nicht hat? Kann man nicht wirklich auch wunschlos glücklich sein?

Unzählige Studien versuchen seit Jahren herauszufinden, welche Werte Menschen rund um den Globus besonders wichtig sind, sie unterteilen in Regionen, Kulturen, Geschlechter und Alter, sie bieten Fragebögen mit Multiple-Choice-Antworten oder messen Gehirnströme während eines persönlichen Gespräches mit Psychologen.



Dabei fallen die Ergebnisse zwar im Detail unterschiedlich aus, kommen allerdings im Groben alle zum selben Ergebnis: Weder Reichtum noch Liebe, nicht einmal Gesundheit scheinen einem Großteil der Befragten so wichtig wie landläufig von vielen angenommen.

Stattdessen stehen Spaß im Vordergrund, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Doch auch hier ergeben sich viele Interpretationsmöglichkeiten. Wie weit soll die Freiheit gehen? Das Schlagwort aus der Französischen Revolution bedeutete schon damals für jeden etwas anderes. Ist es wirklich für so viele ein so hohes Gut, und ist es möglicherweise sogar käuflich?

Die Gedanken sind frei

Das deutsche Volkslied mit dem gleichnamigen Titel wurde seit seiner ersten Veröffentlichung im 18. Jahrhundert in unzähligen Weisen vorgetragen und interpretiert. Doch wie wichtig ist Deutschen ihre Freiheit heutzutage in verschiedenen Lebensbereichen?

Grundsätzlich sehr viel weniger wichtig als Sicherheit. Nach einer Studie aus dem Jahr 2017 war nur rund 40 Prozent aller Befragten ihre Meinungsfreiheit von Bedeutung – gleichsam stand diese damit an erster Stelle auf der Liste. Körperliche Freiheit rangierte mit 13 Prozent und damit trotz deutlichen Abstands bereits auf dem zweiten Platz, Pressefreiheit fand bei weniger als zwei Prozent Anklang.



Geht es ums Geschäft, steigen die Zahlen allerdings wieder: Immerhin fünf Prozent würden für eine Million Euro von ihren Eltern ihren künftigen Ehepartner aussuchen lassen, für zehn Millionen Euro wäre ein Viertel der Teilnehmer bereit, auf ihr Wahlrecht zu verzichten. Ist Geld also doch das, was sich die Menschen in erster Linie wünschen?

Geld regiert die Welt

Mögen für viele soziale Beziehungen auch wichtiger sein als Geld, so würde doch kaum jemand auf einen Lottogewinn verzichten. Und weshalb auch? Weil Geld nicht glücklich macht? Das unterschreibt kaum jemand, der es nicht hat. Im Gegenteil: Allein die Nachfrage nach Casinospielen, die Hoffnung auf das große Geld mit sechs Richtigen oder einem guten Poker-Bluff ist ungebrochen.

Erst kürzlich wurde daher in gesamt Deutschland das Online-Spielen für alle Erwachsenen legalisiert. Filme und Serien in der Welt der Reichen und Schönen sind ebenso beliebt wie Hochglanzmagazine über deren Leben, immer mehr Kinder möchten als bekannte Influencer ein sorgenfreies Leben genießen.

Doch die Chancen sind gering: So gab es in Thüringen seit der Wende insgesamt knapp 80 Lottogewinner, die Geldsummen fielen hier im Durchschnitt geringer aus als in Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein. Für die Verwendung des Gewinns gibt es viele verschiedene Möglichkeiten. Auch hier gibt es bundeslandabhängige Unterschiede.



Während Hamburgern ein Fallschirmsprung zu reichen scheint, möchten sich Saarländer selbstständig machen, Bayern ihr Geld in innovative Technik-Gadgets investieren und Bremer in teure Autos. Gedanken um andere machen sich Thüringer, von denen viele eine bedeutende Summe für Weltfrieden und Umweltschutz spenden würden.

Was wiederum allen gemein ist: Die Anerkennung von Geld, wird es ehrlich und gewissenhaft verdient – wer hingegen durch unfaires Verhalten und auf moralisch verwerfliche Art seinen Lebensunterhalt bestreitet, ist zwar ebenso wohlhabend, aber weniger glücklich.

Das körpereigene Belohnungssystem reagiert auf Reichtum auf Kosten anderer weniger stark. Also doch den Flug nach Las Vegas nicht für den Besuch am Roulette-Tisch buchen, sondern für die Heirat in der Elvis-Kapelle?

Freundschaft schlägt Liebe

Die eigene Hochzeit soll für viele der schönste Tag im Leben sein. Doch noch vor der partnerschaftlichen Beziehung, noch vor Kindern und Familie rangiert für viele ein anderer sozialer Kontakt: der zu ihren Freunden.

Für über 85 Prozent stehen nach Resultaten unabhängiger Studien hierzulande gute Freundschaften mit Abstand an vorderster Stelle in ihrem Leben. Gemeinsam durch dick und dünn zu gehen, zu sportlichen und kulturellen Veranstaltungen, kochen, lachen, Hürden meistern und die Freizeit genießen, scheint allgemeine Priorität.



Etwas, das vor allem in Jena problemlos möglich ist. Denn die neben Münster beliebteste Universitätsstadt des Landes bietet zahlreiche musikalische, architektonische und weitere Highlights, die sich zu zweit und in Gruppen optimal entdecken lassen.

Dass nicht viele der knapp 20.000 18- bis 30-Jährigen eine offiziell verbundene Zweisamkeit bevorzugen, mag auch an der durchschnittlichen Scheidungsrate von 33 Prozent in Deutschland liegen – gegenüber China, in dem sich nur rund vier Prozent aller Paare amtlich wieder trennen.

Das westliche Ideal romantischer Liebe unterliegt der östlichen Idee familiärer Stabilität. Vor allem in Thailand und Saudi-Arabien stehen Geld und Gesundheit ganz vorne auf der Liste der Wünsche für ein glückliches Leben.

Erneute Gesundheitsreform?

Es liegt in der Natur des Menschen: Die Bedeutung körperlicher und psychischer Gesundheit wird in der Regel erst im Krankheitsfall als hohes Gut anerkannt. Umfangreiche Gesundheitsmaßnahmen und -programme führten in Finnland allerdings nicht nur zu einer Halbierung der vormals hohen Alkoholabhängigkeits- und Suizidraten, sondern auch zur bereits mehrmaligen Spitzenposition im UN World Happiness Report.



In dem jährlich veröffentlichten Bericht der Vereinten Nationen werden aufgrund von Sicherheit, Wohlstand und Gesundheit sowie anhand von Befragungen des persönlichen Befindens Bewertungen zu glücklichen und weniger glücklichen Bevölkerungen vorgenommen und veröffentlicht.

Trotz der langen, dunklen Wintermonate scheinen die Finnen also zu wissen, was Glück bedeutet. Oder anders: Vielleicht sind sie einfach doch nahe dran, wunschlos glücklich zu sein.

Hoher Gemeinsinn, gegenseitiges Vertrauen, gemeinsames Lachen – alles Punkte, die den Einwohnern des skandinavischen Landes nicht nur wichtig zu sein, sondern welche sie bereits zu leben scheinen. Immerhin hat es Deutschland nach Jahren auf Platz 17 im Jahr 2021 in die Top Ten geschafft. Ob Gesundheit aufgrund aktueller Ereignisse bald auf dem ersten Platz landet, bleibt abzuwarten. Ebenso, ob das Glück der Finnen erlernbar ist.

Vorbild nachmachen?

Im kommenden Jahr jährt sich die Einführung des „Internationalen Tag des Glücks“ am 20. März durch die Vereinten Nationen zum zehnten Mal. Er soll an die Bedeutung von Glück und Wohlergehen erinnern und als politisches Instrument Aktionen fördern, in deren Fokus die Verbundenheit von Ökonomie, Ökologie und sozialen Aspekten wie Bildung steht. Doch wie lässt sich Glück für jeden Einzelnen erreichen? Kann es sogar erlernt werden?



Teenager haben kein Problem, ihr Idol nachzumachen: Sie kleiden sich wie ihr Vorbild und übernehmen sprachliche oder motorische Eigenheiten. Finnland zu kopieren, wird schon schwieriger. Das ernüchternde Ergebnis verschiedener weltweiter Studien: Selbst bei täglich fleißigem Üben wird es niemandem gelingen, stets auf Wolke Sieben zu schweben.

Einen kleinen Lichtblick geben erlauben uns die Wissenschaftler allerdings doch: Wer gezielt trainiert, dankbar, optimistisch und mit einer Prise Humor durchs Leben zu gehen, der wird zumindest zufrieden sein können. Das Wohlbefinden wird gesteigert, die allgemeine Stimmung angehoben. Zudem darf nicht vergessen werden: Glücklich kann sich nur fühlen, wer auch Unglück kennt.

Krisen gehören zum Leben, einige Wünsche müssen unerreichbar bleiben, um stets ein Ziel vor Augen zu haben und somit jedem neuen Tag einen Sinn zu geben. Dabei spielt es nach Ansicht von Experten keine Rolle, ob viele Kinder, beruflicher Erfolg oder gemeinsame Aktivitäten das subjektive Empfinden von Glück steuern und damit bislang unerreichte Wünsche beeinflussen.

Was grundsätzlich auf Menschen zutreffen soll: dass sie sich über ein langes Leben freuen. Aber ist es wirklich ein langes Leben, das sich die meisten Menschen auf der Welt wünschen? Schließlich impliziert dies gleichzeitig umso mehr Zeit, in der Wünsche entstehen können – sei es der Traumurlaub auf den Malediven, das neue Fahrzeug, die Gehaltserhöhung oder eben doch der Lottogewinn.

Text: Susann Schmidt