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Flüchtlingszahlen drastisch gestiegen

Asyl in Jena: Stadt stößt bei Aufnahme an ihre Grenzen

Bei einer aktuellen Stunde informierte die Stadtführung am Mittwochabend den Stadtrat über die Asyl-Situation in Jena.
Bei einer aktuellen Stunde informierte die Stadtführung am Mittwochabend den Stadtrat über die Asyl-Situation in Jena.
Foto: Michael Baumgarten
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Jena muss mit deutlich wachsenden Flüchtlingszahlen und Kosten für deren Unterbringung und Betreuung zurechtkommen. Die Stadtführung informierte den Stadtrat und die Bürger in einer Aktuellen Stunde.

Jena. Tagesordnungspunkt 8 auf der 13. Stadtratssitzung „Aufnahme von Flüchtlingen in Jena“ konnte nicht wirklich zum Konfliktfall entarten. Die Jenaer Gegner der steil ansteigenden Flüchtlingszahlen sind in diesem Gremium nicht vertreten.

Stadtführung und –verwaltung sowie die Redner aus den Fraktionen stellten unisono in der von der CDU-SPD-Bündnis 90/Die Grünen-Koalition beantragten Aktuellen Stunde ihre uneingeschränkte Solidarität mit den Flüchtlingen und Asylsuchenden unter Beweis. Die Kommunalpolitiker warben bei Jenas Bürgern um Zustimmung zu einer menschengerechten Aufnahme und Betreuung dieser Ausländer. „Empfangen wir flüchtende Menschen als Gäste“, forderte SPD-Stadtrat Dr. Jörg Vogel.

„Wir werden das schaffen“, beendete Sozialdezernent Frank Schenker (CDU) die gut einstündige Debatte. In Vertretung des abwesenden OB Albrecht Schröter (SPD) analysierte Schenker die aktuelle Situation. Seinen Redebeitrag hatte der Dezernent mit einer klaren Ansage eingeleitet: „Wir müssen eine Aufgabe lösen, die wir lange nicht lösen mussten. Alte Festlegungen müssen in Frage gestellt werden.“

Monatlich 80 Flüchtlinge

Sein Mitarbeiter für Controlling, Christian Heise, untersetzte Schenkers Appell mit Zahlen. Die Zahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern werde in der Stadt bis Jahresende auf rund 1.160 ansteigen. Innerhalb eines Jahres habe sich die Zahl verdreifacht. Statt wie festgelegt 40, müsse Jena ab September monatlich 80 Flüchtlinge aufnehmen. Zum 15. August würden rund 60 Prozent in Wohnungen leben, die anderen in Gemeinschaftsunterkünften. Die meisten Ausländer stammten laut Statistik aus Syrien, den Balkanstaaten und Eritrea.

Container-Dörfer geplant

Da keine geeigneten Wohnplätze in Häusern zur Verfügung stünden und neue GUs wie in der Hugo-Schrade-Straße in Winzerla (Januar 2016) oder am Westsportplatz (März 2016) noch nicht bezugsfertig seien, plane die Stadt drei noch zu diskutierende Container-Standorte. Deren Mietkosten sich laut Schenker mittlerweile vervierfacht hätten. Eine Lösung, die mit dem Klinikneubau in Lobeda frei werdenden Objekte wie Haut- oder Urologieklinik zu nutzen, sieht Schenker als nicht praktikabel an.

Kritik an Landesregierung

Deutliche Kritik übte die Stadtverwaltung an der Rot-Rot-Grünen Landesregierung. Von den 1,6 Millionen an erstattungsfähigen Ausgaben habe das Land bislang der Stadt nur rund 1 Million Euro bezahlt. Nach einem neuen Landesentwurf solle zudem die Kostenpauschale pro Platzeinrichtung von 7.500 auf 6.500 Euro gesenkt werden.

Koordinator für Flüchtlingsproblematik

Die Stadt wird in Kürze mit Andreas Amand, dem amtierenden Leiter des Fachdienstes Jugendhilfe im Sozialdezernat, einen extra Koordinator für die Flüchtlingsproblematik einsetzen. Schenker und Stadträte bedankten sich bei der Verwaltung, Kommunale Immobilien Jena und allen ehrenamtlichen Helfern für deren Engagement.

Zigaretten statt Spielzeug

Lothar König (Bürger für Jena) forderte die Jenaer Bürger auf, sich an der neuen Initiative „Zigaretten statt Spielzeug!“ zu beteiligen. Denn viele männliche Flüchtlinge, so König, würden Raucher sein und könnten sich die teuren Zigaretten nicht leisten.

Auszüge aus der Diskussion:

Dr. Jörg Vogel (SPD): „Es hieße Scheuklappen aufzusetzen, in der globalisierten Welt technisch Nachrichten empfangen zu können, aber zu glauben, das habe inhaltlich keine Auswirkungen auf uns. 1.000 Flüchtlinge werden das öffentliche Leben in der Stadt nicht aus den Fugen bringen.“

Christian Philler (Bündnis 90/Die Grünen): „Die Einschulung von Flüchtlingskindern auszusetzen, lehne ich ab.“

Dr. Beate Jonscher (Die Linke): „Es gibt zu wenig Aufklärung über die Fluchtgründe.“

Katharina König (Die Linke): „In Jena sollte das Geld nicht an erster Stelle stehen, wenn es um Flüchtlinge geht. Es sind Menschen.“

Dr. Heidrun Jänchen (Piraten): „Bezahlbarer Wohnraum ist das dringendste Problem in dieser Stadt für Viele. Dazu gehören auch die Flüchtlinge.“

Text: Andreas Wentzel